2.  MOSE  33, 17b-23;    PREDIGT:

 

Viele Menschen können heute mit Gott nichts mehr anfangen. Für sie ist Gott zu einer unbekannten Größe geworden. Wir Christen dagegen haben das einzigartige Vorrecht, mit Gott den vollen Kontakt zu haben; wenn auch noch nicht im Schauen, so doch im Glauben. Wohl den Menschen, die im Glauben die Gelegenheiten Gottes ergreifen und sich heute schon auf den Wegen Gottes für die Ewigkeit bereiten lassen.

Unser heutiger Predigttext, den wir gleich hören werden, will uns erklären, wie weit wir die Größe Gottes erleben können und dürfen. Während wir in der Weihnachtszeit erkennen dürfen, dass der Sohn Gottes ganz arm, ganz Mensch geworden ist; dürfen wir in der Epiphaniaszeit, - Epiphanias heißt Erscheinung - , erkennen, dass uns in diesem Jesus die ganze Herrlichkeit Gottes erscheint. Heute schon gibt es die Erscheinung Jesu Christi; Erlebnisse, die uns seine ganze Güte, Gnade und Barmherzigkeit zuteil werden lassen. Ist uns dieser Jesus Christus schon erschienen?!! Haben wir in unserem persönlichen Leben solche Erlebnisse?!!

Unser Predigttext handelt aus der Zeit des Mose, in der er durch den Ungehorsam seines Volkes, dem Tanz um das Goldene Kalb, eine ganz ungewisse Zukunft vor sich hatte. Gott wollte nicht mehr mit dem Volk weiterziehen. Mose setzte sich vor Gott für dieses Volk ein. Kurz vor unserem Predigttext sagt er zu Gott: Herr, wenn nicht dein Angesicht vorangeht, so führe uns nicht von hier hinauf. Und er ringt im Gebet mit Gott, dass Gott weiterhin mit ihm und seinem Volk geht. Diese Verwegenheit, die Mose dabei an den Tag legt, kommt nicht aus ihm selbst. Er hatte schon durch viele Begegnungen mit Gott dessen Gnade und Barmherzigkeit erlebt. So weiß er, dass ihm und seinem Volk nicht die Flucht von Gott weg, sondern allein die Flucht zu Gott hin weiterhelfen und retten kann. Deswegen Mose verwegene Bitte, die in der Mitte unseres Predigttextes steht: Herr, lass mich deine Herrlichkeit sehen! Soweit Gott konnte, hat er Mose diese Bitte erfüllt. Zwar darf Mose Gott nicht sehen, aber er darf ihm hinterher sehen:

 

" Der Herr sprach zu Mose: Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen. Und Gott antwortete: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des Herrn: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. Und der Herr sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. Dann will ich meine Hand von dir tun, und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen. “

 

Hier haben wir drei Teile vor uns. 1) Immer wieder besteht unser Wunsch darin, Gott ganz offen und klar erleben zu dürfen. 2) Gottes Wunsch besteht auch darin, sich uns so weit wie möglich offenbaren zu können. 3) Geben wir in unserem Leben Gott den Raum, damit er durch uns reden, handeln und kommen kann.

 

1) Immer wieder hegen wir den Wunsch, Gott ganz offen und klar erleben zu dürfen. Obwohl Mose schon sehr viele Erlebnisse mit Gott hatte, litt er sehr darunter, dass Gott nicht sichtbar ist. Wenn doch Gott dieses letzte Geheimnis fallen lassen würde, - so meinte er -, dann wäre ihm und seinem Volk sehr viel geholfen.

Auch wir kennen solche Bitten. Auch wir wollen oft einen Gott haben, der sichtbar ist; einen Gott ohne Risiko. "Herr, lass mich etwas wahrnehmen von der verändernden Kraft, über die du verfügst. Lass mich erfahren, wie du als das Licht in der Finsternis aufleuchtest und in all unseren Jammer neuen Lebensmut bringst!“ "Herr, wenn du dich doch nur ein Mal zeigen würdest, dann würden all die Gleichgültigen wach, die Zweifler überzeugt, die Verzagten ermutigt. Die Geängsteten würden die Hand sehen, die sie leitet; und die Schuldigen würden erkennen, dass auf sie gnädige Augen gerichtet sind." Unser ganzes Christenleben, unsere ganze Gemeindearbeit würde ganz anders dastehen, wenn wir einen sichtbaren, kalkulierbaren Gott hätten.

Das Volk Israel wollte damals einen sichtbaren Gott, und goss sich deshalb das Goldene Kalb. In ihrer Ungeduld begannen sie einen großen Fehler und Frevel! Mose wollte ebenfalls einen sichtbaren Gott. Auch ihn wollte die Ungeduld überfallen. Aber er beschritt nicht eigene Wege. Sondern er begab sich dabei ins Gebet und rang damit mit Gott. Und was sagt Gott?: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; kein Mensch wird leben, der mich sieht! Gott sagt noch viel mehr, aber darauf kommen wir später.

Wer jetzt schon Gott schauen will, der muss sterben. Der junge Jesaja sagt, als er das erstemal Gott in einer inneren Schau erlebte: Wehe mir, ich vergehe; denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen. Denn ich habe den König, den Herrn Zebaoth, mit meinen Augen gesehen. Als Petrus die Größe Jesu erlebte, sagte er zu ihm: Herr, gehe von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch. Paulus wurde blind, als ihm Jesus in einem ganz starken Licht begegnete. Wer sich in dreister Weise an Gott heranmacht, als wäre das sein gutes Recht, der erlebt Gott als ein verzehrendes Feuer. Er verhält sich wie ein Rebell, wie ein Aufrührer, der sich unter die Augen des Königs und Richters wagt. Seine Verurteilung ist ihm gewiss.

Und doch sagten wir vorhin, dass nur unsere Flucht zu Gott hin, und nicht von ihm weg, uns etwas hilft. An Jesus sehen wir das alles noch viel deutlicher: Wir dürfen zu ihm kommen. Und das Erste, das wir von ihm empfangen, und das wir auch sehr nötig brauchen, ist die Vergebung unserer Sünden. Danach beginnt ein Glaubensleben, ohne äußere Sicherheiten, aber doch mit der inneren Gewissheit, seine Wege gehen zu dürfen.

Bei Gott dürfen wir nie etwas erzwingen. Seine Türen, die er für uns hat, gehen nur von der Seite Gottes her auf. Gottes Handeln ist nicht unserer Willkür überlassen. Nicht wir halten die Triumphe in der Hand, die sind alle der Hand Gottes vorbehalten. Alles, was mit Gott zu tun hat, kann man am besten mit einer Hochspannungsleitung vergleichen. Jede Berührung wäre tödlich. Es braucht einen Transformator, das ist Jesus Christus. Und es braucht elektrische Geräte, das sind unsere Glaubensschritte. Damit gibt uns diese Kraft der Hochspannung Gottes etwas.

Noch gilt nicht die Theologie der Herrlichkeit Gottes, sondern die Theologie des Kreuzes Jesu Christi. Noch können wir die Herrlichkeit Gottes nicht sehen, aber wir dürfen ihr hinterher sehen. Wir Menschen haben viele falsche Vorstellungen von Gott. Lassen wir sie uns korrigieren. Übertragen wir niemals unsere Vorstellungen auf Gott, sondern versuchen wir, uns die Vorstellungen Gottes zu erschließen.

Es ist schon ein sehr heikles Kapitel, sich mit Gott einzulassen. Denn da kann man nichts mehr von uns aus arrangieren und manipulieren. Und doch wird damit alles ganz wahr und wir werden total durchschaut und uns wird gewaltig geholfen. Denn Gott macht sich dann wahrhaftig auf und kommt zu uns.

Fassen wir uns in Geduld, aber ringen wir mit Gott im Gebet, wenn wir den sehnlichsten Wunsch haben, Gott zu schauen und zu erleben.

 

2) Auch Gott hegt den sehnlichsten Wunsch, sich uns Menschen so weit wie möglich zu offenbaren. Gott sagt zu Mose: Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden und ich kenne dich mit Namen. Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir den Namen des Herrn kundtun: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. Wir raten richtig, wenn wir vermuten, dass Gott uns mag. Nicht deshalb, weil wir so wertvoll sind, sondern weil er nach uns große Sehnsucht hat. Er ist für uns. Er will uns das Beste zuteil werden lassen.

Der Sündenfall war ja nicht sein Verschulden. Diese Tatsache des Sündenfalls war ein Schlag ins Angesicht Gottes. Gott musste sich danach mit seinem Wirken und Handeln total umstellen. Der Mensch begab sich damit so grass ins Abseits Gottes, dass nur noch die gewaltige Kraftanstrengung Gottes, seinen Sohn zu uns Menschen zu schicken, uns etwas helfen und uns das Paradies  Gottes wieder zurückerobern kann. Seitdem kann uns Gott nicht mehr sichtbar begegnen. Es steht die Schwelle der todverfallenen Welt, die auf einen Untergang zuläuft, dazwischen.

Dennoch hat ja Gott, - seit Himmelfahrt auch Jesus Christus -, alle Macht im Himmel und auf Erden. Damit kann Gott unserem Wunsch, ihn erleben zu dürfen, entgegen kommen. Das Geheimnis muss bleiben, aber es darf auch zu unserem Geheimnis werden.

Als Christen dürfen wir immer die Erfahrung machen, die auch hier Mose zuteil wurde, dass Gott nicht blind, stumm oder taub ist. Gott ist eine lebendige Größe, die sehr wohl uns sieht, mit uns redet und alle unsere Anliegen hört und aufnimmt. Gott hat ein sehr genaues Bild von uns. Er überlässt uns nicht uns selbst. Er hat uns nicht vergessen. Und niemals schiebt er uns auf ein Abstellgleis. Er denkt, fühlt, leidet und freut sich mit uns und führt seine allumfassende Regie aus. Dabei begehren Gottes Augen nichts mehr für sich selbst. Sondern seine gebrochenen Blicke vom Kreuz Jesu herab zu uns, sind Hirtenblicke, die unser ganzes Leben begleiten.

Hier im Predigttext ist es so dargestellt, dass Gottes Angesicht dem Mose schon ganz nahe ist. Aber Mose steht in der Felskluft und Gott hält ihm zusätzlich die Augen zu. Mose darf dann erst die Rückseite Gottes sehen. Und das ist große Gnade, denn Mose würde auf der Stelle tot sein, wenn es nicht so wäre.

Wir dürfen Gott hinterher sehen und hinterher gehen. Aber verstehen wir das nicht falsch, dass wir damit die "Ewig- Gestrigen" wären und uns alle Gelegenheiten des Lebens davonschwimmen würden. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Mose und das Volk Gottes durfte der Wolken- und Feuersäule hinterher gehen. Damit blieben sie in der Spur Gottes. Im Neuen Testament ist unsere Jesus- Nachfolge eines der wesentlichen Anliegen Gottes. Also dürfen wir ganz in der Nähe Gottes leben. Gott will uns ganz nahe sein; näher, als uns Menschen sein können.

Wir Menschen, die wir uns in unseren eigenen Wegen der Sünde verfangen und verstrickt haben und deshalb in Teufelskreisen gefangen sind, dürfen durch dieses "Gott hinterher sehen" da herausfinden. Und er sagt zu uns, wie hier zu Mose: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen.

Mose stand dann in der Felskluft. Damit ist weniger eine Bedrängnis gemeint, sondern mehr: Auch wenn wir in Bedrängnissen stehen, umgibt uns Gott von allen Seiten und hält seine Hand über uns. Zu Hiob, der in großen körperlichen und seelischen Bedrängnissen stand, wurde gesagt: Auch dich lockt Gott aus dem Rachen der Angst in einen weiten Raum, darin keine Bedrängnis mehr ist.

Gottes Glanz würde uns Menschen in den Tod stürzen; aber seine Güte, Gnade und Barmherzigkeit gewährt uns einen Raum, in dem wir ganz neben ihm leben und wirken dürfen. Was wir mit unserem persönlichen "Geistlichen Leben" bezeichnen, ist dieser Freiraum, den uns Gott schenkt.

Es kommt öfters vor, dass dieser Raum, den uns Gott schenkt, für uns dennoch eine Beengung darstellt. Das sind dann Zeiten, in denen Gott an irgend einer Stelle mit harter Hand durchgreifen muss. Da darf man ihm dann nicht dazwischenfunken. Da sind uns wahrhaftig die Hände gebunden. Da haben wir auch oft einmal keine Aussicht mehr. Da kann es sehr dunkel sein. Aber wenn wir das aushalten, - es sind nur verhältnismäßig kurze Zeiten - , dann zieht Gott seine Hand wieder zurück und wir sehen den nächsten Teilabschnitt unserer Nachfolge. Also auch solche Zeiten dürfen wir von Gott annehmen.

Noch eines gehört hier herein, das ich aber nur andeuten möchte. Gott sagt hier: Ich tue dir meinen Namen kund. Unsere menschlichen Namen sind oft nur wie Schall und Rauch, der sehr schnell wieder vergehen kann. Aber Gottes Name ist etwas sehr Beständiges und Lebendiges. Wer um den Namen Gottes weiß, der kennt den Code, den Schlüssel für die Geheimnisse Gottes. Wir sind dann sein Werk, das seinen Schriftzug trägt, seine Unterschrift. Sein Name steht dann auf unserem Leben und unter unserem Lebenswerk. Jesus sagt: Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen. Durch die ernste und nicht fluchhafte Anrufung des Namens Gottes, werden Gottes Kräfte frei. Wer mit dem Namen Gottes flucht, der steht unter dem Fluch. Wer Gottes Namen anbetet, der steht unter dem Segen Gottes.

Gott hat den sehnlichsten Wunsch, sich uns, so weit wie möglich, offenbaren zu können. Baden wir uns in seiner Güte, Gnade und Barmherzigkeit.

 

3) Geben wir in unserem Leben Gott den Raum, damit er durch uns reden, handeln und kommen kann. Im Predigttext ist nur diese Unterredung Moses mit Gott herausgegriffen. Aber es geht letztlich darum, dass durch Mose wieder das Volk in rechter Weise weitergeführt wird. Auch für uns sind immer wieder solche Verschnaufpausen wichtig, aber danach geht es umso konzentrierter weiter.

Das Volk Israel hatte Gottes Wege verlassen und stand nun verlassen auf ihren eigenen Wegen. Hier in diesem Text, in dem Mose in dieser Felskluft steht, holt Gott das Volk wieder ein. Und nun geht es in der Nachfolge weiter.

Durch unser Ringen vor Gott werden unsere nächsten Schritte klar, die wir gehen dürfen und auch gehen sollen. Würden wir ohne solche Stille Zeiten leben, dann würden wir uns im täglichen Leben verzetteln und verrennen. Wir würden von unserem Eigenwillen, Hochmut und unserer Hoffärtigkeit bestimmt; oder auch von unserer Verzagtheit, Enttäuschung oder unserem Irrweg. So aber geben wir Gott Raum und lassen uns von Gott bestimmen und beeinflussen. Dabei müssen wir gar nicht so viel können und leisten. Es genügt unser Liebes- und Glaubens- Gehorsam zu Jesus Christus. Damit kommen wir am schnellsten weiter und vorwärts, denn alles andere tut Gott selbst. Hier dürfen wir Christen ein geistliches Sachverständnis haben, mit dem wir die Wege Gottes gehen.

Die eine Bitte kann uns Gott nicht erfüllen: "Lass mich deine Herrlichkeit sehen!" Aber unser jetziges Leben darf eine Bereitung für diese ewige Herrlichkeit Gottes erleben. Gerade wir Christen verfolgen die ernstesten Absichten zur Absicherung unserer Zukunft. Unser Tod ist nur noch die letzte Schwelle zu unserer Ewigkeit. Wer nicht jetzt schon um diese Herrlichkeit Gottes weiß, der wird sie auch nicht nach dem Tode erleben. Und Paulus sagt, dass dieser Zeit Leiden nichts wert sind gegenüber der Herrlichkeit Gottes, die an uns offenbart werden soll. Damit vertrösten wir uns nicht auf unsere Zukunft, sondern damit wird auch unsere Gegenwart erfüllt. Im Glauben überwinden wir alles Notvolle und leben heute schon aus unserer Zukunft und auf die Zukunft zu.

 

Geben wir in unserem Leben Gott den Raum, dann wird er auch durch uns reden, handeln und kommen. Dann ist uns Gott keine unbekannte Größe mehr und wir dürfen zu Gott vollen Kontakt haben, zwar noch nicht im Schauen, aber doch schon im Glauben. In dieser Epiphaniaszeit will uns dazu Christus erscheinen und begegnen.