RÖMER 14,7-9;    PREDIGT:

 

„ Unser keiner lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn. Denn dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende Herr sei. “

 

In unserem Predigttext ist vom Leben und Sterben die Rede. Für viele von uns mag es keine Frage, sondern eine klare Tatsache sein; ich stelle es trotzdem als Frage: Was ist uns lieber: das Leben "oder" das Sterben? Sehen wir ein, dass wir beides durchgehen müssen: das Leben "und" das Sterben? Haben wir den Zusammenhang schon kapiert, dass es ein Leben "durch" das Sterben hindurch gibt? Leben "oder" Sterben! So denken die Leute, die das Leben nur genießen wollen; oder resigniert haben. Leben "und" Sterben! So denken die Realisten. Leben "durchs" Sterben! Darum wissen die Christen.

Normalerweise besteht für uns Menschen zwischen dem Leben und Sterben ein unüberbrückbarer Graben, ein großer Kontrast. Wir genießen das Leben und schieben alles zur Seite, was mit dem Sterben zu tun hat. Aber für uns Christen gibt es diesen Graben nicht mehr; stellt dieser Kontrast keine schreckliche Bedrohung mehr dar.

Was der Mensch verdorben hat, das hat Christus wieder bereinigt. Uns Menschen ging das Paradies verloren; Christus hat es wieder für uns zurückerobert. Er schenkt uns die wahren Lösungen all unserer Ängste, Nöte, Untergänge und alles Sterbens. Wir müssen zwar alle sterben,  ¦? aber für uns Christen hört damit nicht das Leben auf, sondern nur das Sterben. ?¦ Und darauf bereitet uns Christus schon im Leben, - heute -, vor und zu.

Heute stürmen auf uns Menschen so viele verlockende und verführerische Einflüsse ein, deren wir uns kaum erwehren können. Und doch haben wir einen Christus, der uns heute genauso helfen und führen kann, wie er es vor 2000 Jahren getan hat. Somit gilt es, sehr wach und aufmerksam zu leben, um seine Hilfen wahrnehmen zu können. Als der Herr des Lebens, dem alle Macht im Himmel und auf Erden gegeben ist, kann er sehr wohl uns helfen, beistehen, führen und leiten, nicht nur durch dieses Leben, sondern sehr wohl auch durch alles Sterben und allen Tod hindurch zu seiner Ewigkeit.

Hierbei hat Christus sehr viel Geduld mit uns. Immer wieder dürfen wir zu ihm kommen; je öfter, desto lieber ist es ihm. Immer wieder dürfen wir aus unseren Fehlern lernen. Er gibt uns sein volles Geleit und trägt uns durch die schwierigen Zeiten hindurch.

So weihen wir ihm unser ganzes Leben, übergeben wir es ihm. Er behält den vollen Durchblick und zeigt uns, wie und was wir tun und lassen sollen. Setzen wir nicht auf unser Können, auf unsere Leistungen und Beziehungen. Sondern setzen wir alles auf Gott, auf Jesus Christus. Dann erleben wir die ganz große Weite göttlichen, ewigen Lebens. Dann sind wir von Gott bevollmächtigt und beauftragt, unser Leben recht zu gebrauchen und einzusetzen. Dann bedrückt es uns nicht mehr, wenn wir ans Sterben denken. Im Gegenteil dürfen wir uns heute schon darauf vorbereiten, auch in den jüngsten Jahren unseres Lebens.

In diesem Predigttext sehe ich drei Punkte, die eine Steigerung darstellen: 1) Wir leben nicht für uns alleine. 2) Wir leben auf Christus ausgerichtet. 3) Christus gibt uns echte Zukunftsaussichten.

 

1) Wir leben nicht für uns alleine. Vers 7: Unser keiner lebt sich selber und keiner stirbt sich selber. Für jedes einzelne Glied der Gemeinde Jesu Christi ist es von großer Bedeutung, dass er nicht für sich selbst lebt. Wer hier für sich selbst lebt, der braucht sich dann nicht zu wundern, dass er dann auch für sich selbst stirbt. Es ist falsch, als Christ zurückgezogen, nomadenhaft zu leben, denn er erleidet dabei selbst den größten Schaden. Ich bin nicht mehr deshalb auf dieser Erde, um meine eigenen Lebensziele zu verwirklichen. Ich bin nicht mehr da, um meinen Egoismus zu pflegen. Es ist die typische Art meines "Fleisches", wie es Paulus oft sagt, wenn ich für mich selbst lebe. Denn alles, das ich für mich selbst behalte, das verliert gewaltig an Glanz. Alles, das ich für mich selbst alleine genießen will, büßt seine Schönheit ein. Und wie oft rührt sich in meinem Leben mein dickes "Ich", meine ehrgeizigen Pläne. Wie oft steht mein eigenes "Ich" im Vordergrund.

Hoffentlich erkennen wir Christen immer wieder, ja immerzu, dass die Selbstfindung die größte Verführung aller Zeiten ist. Es ist glatter Selbstmord, egoistisch, egozentrisch zu leben. Beim Gleichnis vom Weizenkorn heißt es: Wenn es nicht in die Erde fällt und erstirbt, dann bleibt es allein und bringt keine Frucht. Zusätzlich ist auch die modernste Form von Selbstfindung eine Form von Menschenfresserei, mit der wir uns ohne Bedenken gegenseitig verschlingen, aufreiben und auffressen, weil wir nur an uns selbst denken.

Der Weg zur Hölle ist nicht nur mit guten Vorsätzen gepflastert, sondern auch mit vielen, vielen Ausreden, die wir in unserem egoistischen Denken erfinden. 1000 Gründe fallen uns ein, wenn wir uns hier hinausreden wollen. Und der größte Dummkopf denkt hier scharfsinnig wie ein Professor. Denn der Teufel ist ein guter Rechner und leistet sich keinen logischen Schnitzer.

Wer in sich selbst sicher lebt; wer nur mit sich selbst beschäftigt ist; wer sich selbst finden will und nur das unternimmt, um eigene Vorteile heraus zu klopfen; der erlebt die Tragik des Ausschlusses; der wird verschoben und verschroben. Damit hat uns der Teufel fest im Griff. Damit zerstören wir unseren göttlichen Auftrag und stellen uns selbst in den Mittelpunkt alles Geschehens. Damit schlagen wir jegliche Einladung Gottes aus und lassen uns unentwegt bei ihm entschuldigen. Damit leben wir mit einer bodenlosen Arroganz und einem ungeheueren Absolutheitsanspruch unsere eigene Vorrangstellung aus. Und damit liegen wir Gott quer im Magen und werden ausgespieen.

Aber es ist ja hier das Gegenteil genannt: "Keiner" von uns lebt sich selbst und "keiner" stirbt sich selbst. Nur die Christen, - die anderen erkennen das ja überhaupt nicht -, brauchen eine lange Zeit, bis sie das kapieren, dass es nicht um Selbstfindung geht, sondern um die Selbsthingabe. Für uns Christen ist es die täglich gelebte Wirklichkeit, uns selbst abzusagen; bei jeder Entscheidung alles zu verwerfen, was uns selber nützen würde: Unser keiner lebt sich selber und keiner stirbt sich selber.

Natürlich können wir das nur durch Christus, was ja auch unser nächster Punkt 2) ist. Aber wer das lernt, der ist dann weder hochmütig, noch verzagt; der hat es nicht mehr nötig, alles bestimmen oder ständig beleidigt sein zu müssen.

Wer des eigenen Glückes Schmied sein will, der ist zwar stolz auf seine eigenen Leistungen, aber der merkt es hoffentlich nicht zu spät, dass er einer der ärmsten Tröpfe dieser Welt ist.

Wir leben und sterben nicht für uns selbst.

 

2) Wir leben auf Christus ausgerichtet. Vers 8: Leben wir, so leben wir dem Herrn; sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Darum: wir leben oder sterben, so sind wir des Herrn.  Diese Tatsache soll und darf unser ganzes Leben ausfüllen. Es ist ein unmögliches Unterfangen, dies in ein paar Minuten abzuhandeln. Aber jeder von uns darf das einfach ausleben: Nur deshalb verlassen wir uns selbst, weil wir durch unserem Leben mit Christus etwas viel Köstlicheres bekommen haben. Auch wenn die Zeiten der Anfechtungen und Nöte kommen, glauben und leben wir es, dass unsere innigste Christusbezogenheit "die" Lösung ist.

Als Jesus auf dieser Erde lebte, wollte er in keinem einzigen Punkt und Anliegen sich selbst verwirklichen, sondern er tat alles zur Ehre Gottes, seines Vaters. All sein Reden und Handeln, all sein Eifer ist nur von da her zu verstehen. Und Jesus hielt das durch im Leben und im Sterben.

Zusätzlich tat dies Jesus um unsretwillen. Sein Leben plätscherte ja nicht so dahin wie eines der vielen Milliarden Menschen auf dieser Erde, sondern bei ihm ging es um die weltentscheidenste Grundfrage, ob es für uns Menschen noch eine Rettung gibt oder eben nicht gibt. Und er löste diese Frage mit einem klaren "Ja"! Wenn wir mit ihm leben, ja zu ihm sagen, dann sind wir die Nutznießer seiner erworbenen Erlösung.

An dieser Stelle müssen wir uns ein paar Gedanke über das Sterben machen. Es heißt an vielen Stellen des Neuen Testaments, dass Jesu Sterben uns das Leben bringt. Beim Abendmahl praktizieren wir das ja. Der Gesunde und Gerechte leidet und stirbt, damit wir Verlorenen und Ungerechten heil und ins Leben versetzt werden können. Jesus war bereit, sich in die tiefsten Tiefen unsres Lebens zu erniedrigen. Und das hielt er durch bis zum Tod am Kreuz. Danach aber wurde er von seinem Vater zur konkurrenzloser Höhe erhoben. Adam und Eva wurden aus dem Paradies vertrieben; seitdem müssen alle Menschen sterben; seitdem haben wir keine Chance, am Tode vorbeizukommen. Aber durch Christus sind die Schrecken des Todes aufgehoben. Sogar im Totenreich hängt die Christusfahne als die Siegesfahne. Somit gibt uns Christus für unser gesamtes Leben, darin unser Sterben eingeschlossen ist, die Auferstehungshoffnung, das ewige Leben, ewig gültige Bewältigungen und Lösungen.

Über unseren Egoismus haben wir im 1. Teil schon sehr viel gesagt; aber noch kaum etwas über die Lösung, wie wir davon wegkommen können. Paulus sagt auch an anderen Stellen: Wer sich selbst lebt, der stirbt auch sich selbst und ist dann für ewig verloren. Wer nicht sich selbst lebt, der stirbt auch nicht für sich selbst und ist für ewig gewonnen, zum Leben hindurch gebrochen. Für sie ist Christus der Herr, ob sie nun leben oder sterben oder schon längst gestorben sind.

Also kennen wir Christen eine Lebensbewältigung, bei der wir keine Angst mehr vor dem Sterben zu haben brauchen. Gut: diese Ängste brechen immer wieder auf, aber wir dürfen sie überwinden.

Da hat sich in der Glaubenslehre der Begriff des "geistlichen Sterbens" festgesetzt. Damit üben wir uns für das letzte, endgültige Sterben ein. Das mag für manche hochtrabend und mystisch klingen, was es natürlich niemals sein soll. Ganz einfach heißt das: Um Christi willen geben wir unser Eigenleben preis, wofür wir das ewige Gottesleben bekommen. Es ist letztlich ein seliger Tausch: Wir verlieren all das, das wir uns selbst eingehandelt haben, letztlich unser verkorkstes, sehr schuldhaftes Leben. Und dagegen gewinnen wir das Leben, das uns Christus wieder ermöglichte.

Dieser Tausch, dieses Geschenk ist so konträr zu unserem Leben, so viel höher und gewaltiger als alles zusammengenommen, was wir selbst schaffen können, sodass wir eben unser ganzes Leben brauchen, um das erfassen und ergreifen zu können. Das können wir nicht in einem einzigen Augenblick.

Da müssen uns viele Illusionen zerbrochen werden. Da gilt es, Nöte, Anfechtungen und Versuchungen zu bewältigen. Manche Hiobssituationen gilt es zu durchgehen. Böse Erlebnisse müssen verkraftet werden. Aus unserer Begeisterung darf langsam Verantwortung und Bewährung wachsen und reifen. Da gibt es Schmelzprozesse wie bei der Gewinnung von reinen Edelmetallen. Da gibt es hohe Belastungen und Drücke auszuhalten wie bei der Entstehung von kostbaren Edelsteinen. Da gibt es schmerzhafte Wehen wie bei der Geburt von Kindern.

Das alles sind Erfahrungen, die mit dem geistlich verstandenen Sterben bezeichnet werden. So etwas ist keine Panne und kein Missgeschick, sondern ein geistliches Lebensgesetz, das zu unserem Christenleben dazu gehört. So wie es beim Gleichnis vom Weizenkorn heißt: Wenn es aber erstirbt, dann bringt es viel Frucht.

Wer darin sich einübt und wer dazu bereit ist, - und das können wir nur, wenn wir auf Christus ausgerichtet leben -, dann werden wir auch bei unserem Sterben und Tode nur in Gottes Hände fallen. Auch dann bleibt er unser Herr.

 

3) Christus gibt uns echte Zukunftsaussichten. Vers 9: Dazu ist Christus gestorben und wieder lebendig geworden, dass er über Tote und Lebende der Herr sei.

Gerade diese drei letzten Sonntage des Kirchenjahres wollen uns den weiten Horizont der Ewigkeit Gottes zeigen und auftun. 1 Ko 2,9: Was sonst kein Auge sieht, kein Ohr hört und in keines Menschen Herz gekommen ist, das bereitet Gott denen, die ihn lieben.

Allein Jesus hat diese Doppelmacht: die Macht im Himmel und die Macht auf Erden. Schon der Teufel hat nur noch eine begrenzte Macht, die nur für Teilbereiche dieser Erde gilt. Und Menschen haben noch wesentlich weniger Macht, so mächtig sie sich auch gebärden.

Der auferstandene Herr besitzt ein Licht, das jede Dunkelheit erhellt; eine Kraft, die jedes Chaos wieder in Ordnung bringen kann; eine Erlösung, die alles in unserem Leben, das durch die Sünde blutrot wurde, wieder schneeweiß machen kann.

Ja durch Jesus geschieht noch viel mehr in unserem Leben; man kann es nur mit einem doppelten Verhältnis erklären: Mit ihm brandet die ganze Ewigkeit in unser Leben herein. Oder: Wir leben wie Pilger auf die Ewigkeit zu. Wir dürfen hier in diesem Leben als seine Gemeinde Kolonien des Himmels sein. Oder: Unsere Staatsbürgerschaft, unsere Heimat ist im Himmel; dort sind wir Zuhause. Vom Weltuntergang her gesehen leben wir 5 Sekunden vor Mitternacht. Aber vom Werk Gottes her gesehen dürfen wir schon längst in der Morgendämmerung der Ewigkeit Gottes leben. Zu Advent kommt wieder Christus zu uns. Zusammen mit ihm ist unsere Welt das Sprungbrett zur Ewigkeit. Er schenkt uns die rechte Bewältigung und Bereitung für die Zukunft Gottes. Es gilt wahrhaftig, dass mit unserem Tod nicht das Leben aufhört, sondern allein das Sterben. Deswegen ist Christus für uns Christen zu der interessantesten Größe unseres Lebens geworden, weil sein Kraftfeld wesentlich stärker als die des Todes ist. Diese Motivation und Faszination macht uns niemals orientierungslos, sondern befähigt uns zur ganzen Verantwortung auf dieser Erde. Ja, wir haben sogar Trost für die Todesstunden der einzelnen Menschen, natürlich nur für den Teil der Menschheit, die sich Christus hingeben.

 

Wir Christen 1) leben nicht für uns alleine; 2) wir leben auf Christus ausgerichtet, 3) der uns echte Zukunftsaussichten gibt. Somit gibt es für uns keinen unüberbrückbaren Graben mehr zwischen Leben und Sterben. Wir fragen nicht mehr danach, was uns lieber ist, das Leben "oder" das Sterben. Wir sehen nicht nur ein, dass zum Leben auch das Sterben gehört; Leben "und" Sterben. Sondern wir kapieren es so langsam, dass es ein Leben "durch" das Sterben gibt. Jedenfalls will uns Christus zu dem Leben führen und mit dem Leben beschenken, das uns auch beim Sterben nicht mehr genommen werden kann.