RÖMER 2,1-11; Predigt:

 

" O Mensch, der du richtest, kannst du dich nicht entschuldigen, wer du auch bist. Denn worin du den anderen richtest, verdammst du dich selbst, weil du eben dasselbe tust, was du richtest. Wir wissen aber, dass Gottes Urteil recht ist über die, die solches tun. Denkst du aber, o Mensch, der du die richtest, die solches tun, und tust auch dasselbe, dass du dem Urteil Gottes entrinnen wirst? Oder verachtest du den Reichtum seiner Güte, Geduld und Langmut? Weißt du nicht, dass dich Gottes Güte zur Buße leitet? Du aber mit deinem verstockten und unbußfertigen Herzen häufst dir selbst Zorn an auf den Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichtes Gottes, der einem jeden geben wird nach seinen Werken: ewiges Leben denen, die in aller Geduld mit guten Werken trachten nach Herrlichkeit, Ehre und unvergänglichen Leben; Ungnade und Zorn aber denen, die streitsüchtig sind und der Wahrheit nicht gehorchen, gehorchen aber der Ungerechtigkeit; Trübsal und Angst über alle Seelen der Menschen, die Böses tun, zuerst der Juden und ebenso der Griechen; Herrlichkeit aber und Ehre und Frieden allen denen, die Gutes tun, zuerst den Juden und ebenso den Griechen. Denn es ist kein Ansehen der Person vor Gott. "

 

Der Buß- und Bettag ist ein ermutigender Tag: "Wir dürfen uns ändern!" Das gibt uns Mut zum Weiterleben, zum Vorwärtsblicken und zur Erneuerung unseres Zusammenlebens. Das wollen doch wir alle! Nehmen wir diese Chancen wahr und an.

Dieser Tag ist aber auch eine Anfrage Gottes an uns selbst. Es ist wie bei einem Arzttermin, bei dem wir den Bescheid bekommen, dass uns eine schlimme Krankheit befallen hat. Aber dieser Arzt Jesus Christus gibt uns die Gewähr dafür, dass er uns heilen kann.

Unser Volk hat diesen Feiertag abgeschafft. Es hat ihn für die Pfle­geversicherung geopfert, für unsere Gesundheit. Dabei ist der Sinn dieses Feiertages auf unsere innere Gesundheit ausgerichtet. Stimmt diese nicht mehr, dann können wir uns nur noch zu Tode pflegen, aber nicht mehr zum Leben. Gott will aber, dass wir uns zum Leben gesund pflegen.

Gerade dieser Predigttext verdeutlicht, dass es keinen Sinn hat, über andere zu schimpfen. Es gilt, an die eigene Brust zu schlagen und es ganz ernst zu nehmen. Ich bin persönlich angefragt, ob ich recht lebe. Es wäre natürlich zu wenig, wenn nur ein Einzelner das aus­lebt. Sogar der Prophet Elia wollte darunter verzagen. Aber Gott sagte zu ihm, dass es noch 7000 andere gibt, die ebenso recht leben. Auch heute gibt es diese Christen, auch wenn sie die sog. "Stillen im Lande" sind.

Es liegt nicht an uns, was Gott daraus macht. Das müssen wir schon ihm überlassen. Und dies Verantwortung übernimmt er auch. An uns liegt einzig und allein, ohne "Wenn und Aber" in der Nachfolge Christi zu leben; ohne vom Weg abzuweichen oder auszuscheren, der uns vorgezeichnet wird.

Christen werden oft mit Menschen verglichen, die gegen den Strom schwimmen. Das dürfen wir auch in positiver Weise für uns an­nehmen. Wir nehmen es mit der Wahrheit, aber auch mit der Näch­stenliebe ganz ernst. Wir haben Wesentlicheres und Wichtigeres zu tun, als bei dem allgemeinen Ratsch und Klatsch, bei dem so viel lieblose Lüge untermengt ist, mitzumachen.

Es ist nicht wahr, dass Christen verkorkste Menschen sind. Nur durch das Christentum wurde unser christliches Abendland das, was es geworden ist. Deshalb sehen wir mit Erschrecken, wie unser Abendland wieder so entchristlicht lebt. An vielen Stellen schleicht sich wieder der Atheismus in einer modernen Form ein.

Aber auch hier hat es keinen Sinn, über andere zu schimpfen. Seien wir an unserer Stelle die, die Gott und seine Erneuerung unseres Lebens ganz ernst nehmen. Nicht die ändern etwas zum Guten, die selbstherrlich leben. Sondern es sind die Christen, die die von Gott geschenkte und ermöglichte Umkehr zu einem sinnvollen und ewig währenden Leben gebrauchen und ausnützen. Wir dürfen uns än­dern. Wir dürfen unsere Fehler einsehen. Das ist der einzige Weg, auf dem wir es besser machen dürfen.

Das rechte Verständnis vom Buß- und Bettag ist eine Anfrage Got­tes an uns selbst. Es sind drei Verständnisse: 1) Wer andere verur­teilt, der verrät seine eigenen Fehler. 2) Wer andere verurteilt, der spricht sich selbst ein vernichtendes Urteil zu. 3) Nur mit unserer persönlichen Umkehr empfangen wir durch die Güte Gottes ewiges Leben und können in Geduld Gutes vollbringen.

 

1) Wer andere verurteilt, der verrät seine eigenen Fehler. Das steht im ersten Vers. Es liegt uns im Blut, über andere Gericht zu halten. Aber wir bedenken zu wenig, dass das ein Schuss ist, der nach hinten losgeht. Letztlich projizieren wir unsere eigenen Fehler in den Nächsten hinein. Wer andere vernichtend richtet, der gibt damit nach außen ein Zeichen dafür, dass er selbst total falsch lebt. Warum ist das so? Es sind vor allem zwei Gründe: Er vergisst, dass auch er selbst sehr viele Fehler hat. Und er vergisst, dass er selbst nur des­halb leben kann, weil ihm Gott seine Fehler vergibt.

Natürlich sollen wir nicht unsere Augen verschließen. Wir dürfen und sollen alles sehr klar und scharf sehen. Und es ist menschlich, dass wir die Fehler der anderen immer deutlicher und klarer als die eigenen sehen. So dürfen wir uns angewöhnen, diese Gabe als einen Bußaufruf für uns selbst zu sehen. Es gilt hier weniger, an den ande­ren zu arbeiten, sondern an uns selbst. Jesus sagt es in der Bergpre­digt so (Mt 7,5): Zieh zuerst den Balken aus deinem Auge; erst danach sieh zu, wie du den Splitter aus deines Bruders Auge ziehst. Und wenn wir das nicht schaffen, dann dürfen wir an diesen Stellen um das Gericht des Heiligen Geistes bitten. Der schafft das dann! Die Fehler der anderen wollen ein Beichtspiegel für uns selbst sein.

In der Pädagogik sagt man ja, dass ein kritisches Aufbegehren gegen die Fehler der anderen uns überhaupt nichts hilft. Wenn wir in die­selbe Lage kommen, tun wir dann genau dieselben Fehler. Und die Bibel sagt uns die Lösung, wie wir es besser machen können; z.B. Klagelieder 3,26: Es ist für einen Mann ein köstlich Ding, das Joch in seiner Jugend zu tragen! Nicht das schadet uns, was wir ertragen, sondern das, wo wir zurückschlagen. Denn wer zurückschlägt, macht genau denselben Fehler, der ihm angetan worden ist. Und er gibt damit zu erkennen, dass der andere scheinbar recht hatte.

Wer andere verurteilt, verrät seine eigenen Fehler. Nur der tut das nicht mehr, der von Gott ein sehr festes Herz bekommen hat.

 

2) Hier wird die Aussage von Punkt 1 erweitert: Wer andere verur­teilt, der spricht sich selbst ein vernichtendes Urteil zu. Davon han­deln die meisten Verse dieses Textes. Gott ist unbestechlich! Hier und an vielen anderen Stellen heißt es: Gott richtet uns nach unse­ren Werken. Unsere Sünde wird einmal schonungslos aufge­deckt. Und da sind wir dann nicht mehr für die Sünden der anderen ver­antwortlich, sondern nur noch für unsere eigenen. Das soll nun nicht heißen, dass wir einen Stand erreichen, bei dem wir sündlos leben können. Sondern es heißt: als Christen stellen wir uns heute schon den Gericht Gottes. Und wer das tut, der kann nicht mehr den anderen verurteilen, denn auch er lebt nur von der Barmherzigkeit und Güte Gottes. Täglich braucht er die Erlösung Jesu. So wünscht er sich für seinen Nächsten ebenso dieses barmherzige und gütige Verhältnis.

Bei vielen sog Christen hat man den Eindruck, dass sie die Rechts­anwälte Gottes sind. Sie wollen noch etwas nachhelfen, damit auch Gott zu seinem Recht kommt. Aber das hat Gott nicht nötig. Dafür sorgt er schon selbst. Falls wir an uns diese Art entdecken, dann lassen wir das schnell wieder fallen. Das ist vor allem die Gefahr derjenigen, die an leitender Stelle stehen. Damit verlieren wir das Wohlgefallen und die Gnade Gottes. Auch damit verurteilen wir unseren Nächsten. Und Gott wird einmal zu uns sprechen: Ich kenne euch nicht! Die Pforten des Himmels öffnen sich uns damit nicht.

Nicht der meistert am besten das Zusammenleben, der am meisten andere verurteilen kann, sondern der, der am meisten die anderen erträgt. Nur der ist lernfähig und für eine Gemeinschaft fruchtbar. Es genügt wahrhaftig, dass jeder Einzelne ganz klar und eindeutig seinen Weg geht. Leben wir das in Treue aus, das wir von Gott wis­sen. Damit kommen wir am besten auf unserem Weg weiter. Dann kann uns nichts mehr aufhalten oder gar in den Weg stellen. Und wenn wir so klar die Fehler der anderen sehen, dann nehmen wir das als einen Beichtspiegel für uns selbst. Das sind die prakti­schen Punkte, mit denen wir an uns selbst arbeiten lassen können. Gott will keine zerknirschte Menschen, sondern treue, tatenreiche und vorbildhafte Mitarbeiter. Jeder darf da ein eigenes Original sein.

Wer andere nicht mehr verurteilt, lebt auch selbst unter dem Frei­spruch Gottes.

 

3) Mit unserer persönlichen Umkehr empfangen wir durch die Güte Gottes ewiges Leben und können in Geduld Gutes vollbringen. Auch davon handeln etliche Verse des Predigttextes. Gott will mit unserer Umkehr unsre Heimkehr. Und das verändert unser gesamtes Leben zum Guten. Unser Warten auf die Führung Gottes wird be­lohnt. Gott will ja, dass in unserem Leben etwas Erfreuliches und Fruchtbares wächst und reift. Dazu gibt er uns alle Chancen. Er will nicht, dass wir ins Verderben laufen, sondern ins wahre Leben. Er will nicht unseren Untergang, sondern unser Aufleben; nicht unsere Verurteilung, sondern unseren Freispruch. Der Buß- und Bettag will uns verhelfen, dass wir für solch ein Leben Besinnungsphasen und Verschnaufpausen haben. Das aktiviert unser gesamtes Leben.

Beim Gleichnis vom Pharisäer und Zöllner im Tempel heißt es: Nur der, der an die eigene Brust schlägt, geht gerechtfertigt heim. Er bekommt die Gnade zu einem Leben in die richtige Richtung. Wenn sich diese Haltung bei uns nicht mehr verliert, können wir mit Got­tes Wohlgefallen rechnen. Es ist hier ein Reinigungs- und Heiligungsprozess angesprochen, der uns allezeit einen Ausweg nach vorne, in die Zukunft ermöglicht. Das darf zur größten Selbstver­ständlichkeit unseres Lebens werden, so wie wir uns auch täglich waschen und reinigen, damit wir uns nicht in unsrem Dreck wälzen müssen. Wenn schon Gott in dieser Richtung eine erstaunlich große Geduld mit uns hat, dürfen auch wir sie aufbringen. So wie beim Jesaja der gerichtete Knecht zum Freudenboten wird, geht uns im Gerichtswort Gottes immer wieder die Sonne Gottes auf, die uns Leben, Wärme und Zukunft schenkt. Durch unsere Umkehr fallen wir in die offenen Arme Gottes. Und er schenkt uns dann eine neue Richtung, einen neuen Weg. Jeder wird dabei bekennen können, dass das Erlebte unsere Erwartungen und Vorstellungen weit über­steigt.

Gott schenkt uns wahrhaftig eine Richtungsänderung. Natürlich sehen wir noch genauso die Fehler der anderen. Aber weil wir statt "Richten", "Buße tun", müssen wir nicht mehr auf die Gehässigkei­ten der anderen reagieren, sondern das tun wir allein auf die Liebe Gottes. Und das macht unser Leben so wertvoll. Gottes Gesinnung kommt zum Tragen. Er führt uns auf die fettesten Weiden und gibt uns ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß in unseren Schoß. Er lässt uns ein verantwortliches und segensreiches Leben führen. Wir werden zum Werkzeug Gottes, das er benützt; zu einem Instrument Gottes, das er bespielt und zum gottgewollten Klingen bringt. Dann entsteht aus dem Chaos die göttliche Ord­nung.

Nur mit dieser Güte Gottes kommen wir weiter. Da ist alles Verur­teilen fehl am Platze. Wohl dem, der das erkennt und praktiziert.

 

Das rechte Verständnis vom Buß- und Bettag ist eine Anfrage an uns selbst. Wer andere nicht mehr verurteilt, obwohl er klar ihre Fehler sieht, der kann seine eigenen Fehler eingestehen; der lebt von der Vergebung Jesu und darf durch die Güte Gottes in Geduld Gutes vollbringen und die Inhalte des ewigen Lebens erleben. Wer echte Verantwortung übernimmt, klagt nicht mehr über die anderen. Dann ist der Buß- und Bettag ein ermutigender Tag. Er gibt uns Mut zum Weiterleben, zum Vorwärtsblicken und zur Erneuerung unse­res Zusammenlebens. Wir dürfen uns ändern!