JOHANNES  12, 24;     PREDIGT:

 

" Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht."

 

Wir sind keine Schoßhündchen Gottes, sondern Lämmer Gottes. Und doch gibt es die Faszination des Lebens, das uns aus dem geistlich recht verstandenen Sterben erwächst.

Wer nach den allgemein gültigen Idealen lebt, der entdeckt sehr schnell Unstimmigkeiten, Lügen, Betrug, List, Argwohn und Zwistigkeiten. Und daraus erwächst dann Neid, Streit, Hass und Krieg. Und ehe man es sich versieht, gerät man in die Mühlsteine des Vergeltungsdenkens: Wie du mir, so ich dir! Und man kommt da nicht mehr heraus. Nur einige Wenige werden dabei nach oben gespült. Der große Rest wird in der Mühle vermahlen, in der Glut der Hitze verheizt und damit ausgenützt und gedemütigt.

Die harten Naturgesetze lehren uns, dass alles auf Kosten der anderen leben will und nur der Stärkere überlebt. Zu unserem Glück gibt es aber auch die barmherzigen Gottesgesetze, durch die wir für unsere Nächsten leben können. Und dadurch überlebt gerade auch der Schwache und Geringe.

Wer des eigenen Glückes Schmied sein will, der ist in den Augen Gottes der größte Tropf und Nichtsnutz, der herumläuft. Wer aber kapiert hat, dass er des Nächsten Glückes Schmied sein darf, der hat den eigentlichen Sinn seines Lebens und Auftrages kapiert.

Als Christen leben wir nicht mehr in der Fleischverhaftung; sind wir nicht mehr Getriebene unserer Leidenschaften und Begierden mit Unmäßigkeit, Brutalität, Verwilderung und Götzendienst. Sondern wir leben in der Geistverhaftung und sind Getriebene des Geistes und der Gesinnung Jesu. Damit erfahren wir zuerst unsere Befruchtung und danach nach einer langen Zeit des Wachstums und der Bewährung erleben wir auch die Früchte solch eines Lebens.

Als Menschen haben wir immer wieder Träume, die wir verwirklichen wollen. Und vieles davon ist ganz bestimmt auch richtig gesehen und beabsichtigt. Aber leider liegt unser Dilemma darin, dass wir es immer wieder falsch anpacken und verwirklichen; oder dass es bei unserem Nächsten falsch ankommt, obwohl es gar nicht so gemeint war.

So verwandelt Jesus unsere Träume vom Sieg in eine Kreuzesvision vom Sieg. Und nur in der täglichen Praxis unserer Jesus-Nachfolge kristallisiert sich unter Druck und Hitze ein edler Kristall heraus. Dazu brauchen wir viel Stille vor Gott mit Beugung, Demut, Liebe, Umkehr und Geduld.

Es geht nicht um irgend einen Triumphzug weltlicher Art. Denn unsere Weltgeschichte beweist uns ständig, dass begeisterte Triumphzüge mit Hass, Krieg, Streit und viel Leid zu tun haben. Und Gott will das nicht. Der Sieg Jesu besteht einzig und allein darin, dass jeder Mensch auf seine Kosten kommt und keiner davon ausgeschlossen bleibt. Aber auch hierfür gibt es das große Dilemma, dass es die wenigsten wollen. Alle wollen ewig leben, aber nicht das ewige Leben. Alle fragen und suchen nach den Lösungen, aber die wenigsten ergreifen die Erlösung Jesu.

Hier in diesem Predigttext geht es um das rechte Verständnis und Ausleben dessen, was wir Christen mit dem geistlichen Sterben bezeichnen. In Jesus, dem Lamm Gottes, haben wir dazu das rechte Vorbild und die rechte Leitgestalt. Mit dem geistlichen Sterben üben wir uns für das letzte Sterben ein und handeln uns schon zu Lebzeiten einen seligen Tausch ein. Und weil wir darum wissen, sind wir zu einem kräftigen und fröhlichen Opfer bereit.

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht. Darin gibt es drei Inhalte: 1) Jeder, der nicht zum Sterben bereit ist, bleibt allein. 2) Das geistlich recht verstandene Sterben. 3) Als Früchte fließen die Segensströme Gottes.

 

1) Jeder, der nicht zum Sterben bereit ist, bleibt allein. Alles, was in unserem Leben durch unseren Egoismus entsteht, auch wenn es den frömmsten Anstrich hat, entpuppt sich als etwas sehr Törichtes und Grausames. Denken wir nur an die scharfen Worte, die Jesus in Bezug auf die Pharisäer und Schriftgelehrten sagen konnte; Matthäus 23: Ihr Heuchler...; ihr Narren und Blinden...; ihr verblendeten Führer...; ihr übertünchten Gräber. ..; ihr Schlangen und Otternbrut. ..; euer Haus soll wüst gelassen werden... !

Paulus bringt hierfür den Begriff des Ersten Adams; und Luther umschreibt dies mit dem Alten Adam, der in uns allen vorhanden ist. Luther sagt dazu: Dieses Luder kann schwimmen, und deshalb muss es täglich durch Reue und Buße ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und Begierden; - täglich! Dieser Alte Adam wird erst mit der Schaufel des Totengräbers erschlagen. Bis dahin haben wir täglich mit ihm zu tun. Dieser Alte Adam ist ichsüchtig, bequem, gottvergessen, leidensscheu und feige. Er untersteht dem Zwang der Vergeltung. Er will unbedingt Erfolg haben und Recht bekommen. Er sieht sehr darauf, eine angesehene Persönlichkeit  zu sein und pflegt deshalb auch sehr fromme Verhaltensweisen. Er kann sehr ehrgeizige Pläne verfolgen. Und sein größter Triumph und Sieg ist das, was heute mit dem Schlagwort der Selbstfindung bezeichnet wird.

Als Christen wird uns auch immer wieder schmerzhaft bewusst, dass viele christliche Begeisterungswellen nicht zum gottgewollten Ziel führen und somit auch noch von einer Art des Egoismuses getrieben sind. Sie veranstalten zwar offiziell einen Triumphzug Jesu mit viel Halleluja, Klatschen, Zungenreden und Feste feiern. Auch haben sie viel Zulauf. Sie haben einen messianischen Rausch von der sieghaften Eroberung durch Jesus und entwickeln einen Sturm der Begeisterung.

Jesus ließ damals diese Welle der Begeisterung auslaufen. Er bremste sie nicht gewaltig ab. Wahrscheinlich tat er dies deshalb, weil bei solch einer Begeisterung manch Positives dabei ist. Sie merken ihre Verlorenheit und schreien nach dem Erlöser. Auch suchen sie an der richtigen Stelle. Nur suchen sie es noch in falscher Weise. Und deshalb wurden sie schon ein paar Stunden später gewaltig enttäuscht, sodass sie schrieen: Kreuzigt ihn!

Merken wir uns das für alle Zeiten: Die beiden Extreme unseres Alten Adams bewegen sich zwischen den beiden Polen: Pharisäismus und Begeisterung. Dazwischen gibt es viele, viele Abstufungen. Damit kommen wir nicht ans gottgewollte Ziel. Damit leben und sterben wir alleine, ohne eine entscheidende Hilfe erfahren zu haben.

 

2) Das geistlich recht verstandene Sterben! Verstehen wir darunter niemals etwas Negatives, sondern nur etwas sehr Positives. Wir brauchen deshalb kein saures Gurkengesicht machen. Denn damit erfahren wir ja die rechte Art der Bewältigung aller unserer anstehenden Fragen und Probleme.

Die Welt lebt vom Opfer. Und nur Jesus zeigt uns die rechte Art dieses Opfers. Deswegen werfen wir ja unser Leben nicht weg, sondern verlieren es an Jesus hin. Es ist also nicht Selbstaufgabe, das wäre total falsch verstanden; sondern es ist Selbsthingabe. Paulus sagt dazu sogar; Römer 12,1: Das ist unser vernünftiger Gottesdienst, wenn wir unsere Leiber als ein Opfer geben, das lebendig, heilig und Gott wohlgefällig ist.

Das schreckliche Opfer, das Abraham fast an seinem Sohn Isaak hätte vollbringen sollen, hat Jesus für uns vollbracht. Das müssen wir nicht mehr tun. Es ist mehr ein fröhliches Arbeiten gemeint, damit wir in innerster feiner Zucht und Ausrichtung all das ausleben,  was uns Gott als Auftrag gegeben hat.

Fasten verstehe ich persönlich als eine Vorstufe dazu. Beim Fasten verlasse ich freiwillig all die Lebensgebiete und Lebenserfüllungen, bei denen ich erkenne, dass sie nicht den Zielen Gottes dienen. Beim Sterben wird mir das von den Nächsten und von den Situationen erledigt. Beim Fasten kann sich noch mein Ehrgeiz ein- schleichen. Beim Sterben ist das nicht mehr der Fall. Aber bei beidem gilt es, dass wir nur deshalb von vielem frei werden, um noch viel mehr für die Sache Gottes frei sein zu können. Somit gehört dies zur positiven Bewältigung unseres Lebens. Deshalb sagte Jesus zu Petrus; 21,18: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wo du hin wolltest; wenn du aber alt wirst, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und führen, wo du nicht hin willst!

Die menschliche Liebe macht uns oft blind und übersieht manche Tatsachen. Die göttliche Liebe macht uns dagegen sehend und lässt uns die Realitäten ganz scharf erkennen. Und darunter erkenne ich auch die Realität meines eigenen Lebens, dass ich nur das Strafgericht Gottes und damit den ewigen Tod verdient hätte. Nur weil ich unter der Liebe Jesu seine ganze Barmherzigkeit erlebe, bin ich zu dieser Ganzhingabe bereit. Es ist ja diese Liebe Jesu, die mich erzieht, unter seiner Kontrolle hält und zu seinem Ziel führt.

Deswegen kann sich Paulus dafür begeistern und den Korinthern schreiben: Das Kreuz Jesu Christi ist für uns, die wir selig werden, die Gottes Kraft. Diese Bewegung, die Jesus in uns hervorruft, ist die einzige Bewegung, vor der das große und gewaltige Plus steht. Vor allen anderen Bewegungen steht ein großes und gewaltiges Minus.

Natürlich ist damit unser Leben kein Honiglecken. Wir leben noch nicht im Schlaraffenland. Unser Luxus, den wir erleben, muss für uns nicht unbedingt ein Vorteil sein. Und es bedeutet nicht unseren Untergang, wenn unser Wirtschaftswachstum wieder rückwärts geht. Aber das Eine dürfen wir uns merken, dass mit der Ernüchterung, die durch die Liebe Gottes zu uns kommt, wir auch unser Leben in rechter Weise bewältigen dürfen. Denn damit glätten sich die Wellen der Eigensucht, des Aufbegehrens und des Gegeneinanderseins. Nur damit verliert sich aller Neid und aller Hass. Es verschwinden alle falschen Erwartungen und Begeisterungen. Und es kristallisiert sich ein Leben nach den Verheißungen Gottes heraus.

 

3) Damit sind wir bei Punkt drei: Als Früchte fließen in unserem Leben die Segensströme Gottes. Jesus ist die Gewähr dafür, dass unser Leben nicht umsonst gelebt ist, sondern Früchte trägt. Denn er bezeugt und führt uns die wahren Wege. Und nur durch ihn erleben wir ewiges Leben.

Wer in dieser Ganzhingabe seines Lebens an Jesus lebt und damit in seiner Nachfolge steht, dessen Leben ist daraufhin angelegt, dass es Früchte trägt. Als klassisches Bild dafür bringt Jesus das Gleichnis vom Weinstock und den Reben. Mit unserer Nachfolge hängen wir wie Reben am Weinstock Jesu. Damit kommt sein Segensstrom zu uns und bewirkt diese Früchte, die dann wieder für unsere Nächsten da sind. Diese Früchte stellen dann Ströme lebendigen Wassers dar, die von unserem Leibe fließen.

Verwechseln wir diese Früchte nie mit unseren Erfolgen. Diese Früchte wirkt Gott, die Erfolge wirkt der Teufel; denken wir nur an die Versuchung Jesu, bei der der Teufel wollte, dass Jesu Einsatz Erfolg hätte. Erfolge fließen zu uns zurück, die Früchte dagegen fließen zu Gott. Die Erfolge wollen uns selbst auf den Sockel stellen. Die Früchte stellen Gott auf den Sockel der Anbetung. Bei den Erfolgen werden wir gelobt. Bei den Früchten steht das Lob Gottes im Mittelpunkt. Bei den Erfolgen gibt es aber auch gegengleich die Misserfolge, die es bei den Früchten nicht gibt. Denn Gott ist der Gute, der Vollkommene und der Ewige. Also suchen wir nie die Erfolge, denn in den Augen Gottes sind sie doch nur Pleiten. Bei den Früchten können wir nicht hochmütig werden, denn aller Rückfluss geht dabei zu Gott. Und das Positive für uns besteht darin, dass wir bei diesem Schwall des Rückflusses mit zu Gott gespült werden. Weil das so ist, werden wir zu sehr dankbaren Menschen, die immerzu bereit sind, reiche Frucht zu tragen. Uns macht es dann auch nichts mehr aus, wenn unsere Nächsten in selbstverständlicher Art und Weise diese Früchte an sich reißen. Deswegen sind wir ja da. Und je mehr wir davon abgeben, umso mehr Früchte schenkt uns Gott: Er gibt uns darüber ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß in unseren Schoß.

Gott geht es nie um den Zerbruch unseres Lebens, sondern um den Aufbruch unseres Lebens. Und dazu fordert er nicht unsere Leistung, sondern allein unsere Ganzhingabe. Diese genügt vollauf. Alles andere vollbringt Gott.

 

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und erstirbt, bleibt es allein; wenn es aber erstirbt, bringt es viel Frucht!

Dieses geistliche Sterben gehört zum barmherzigen Gottesgesetz dazu, das uns Jesus ins Herz schreiben will. Dadurch hat jeder die Chance, das wahre, ewige Leben ergreifen zu können und Früchte zu bringen. Lassen wir es zu, dass Jesus unsere Träume vom Sieg in eine Kreuzesvision vom Sieg verwandelt. Als die Lämmer Gottes, die zu einem kräftigen und fröhlichen Opfer bereit sind, gehen wir einen seligen Tausch ein. Wir gelangen ans rechte Ziel, das heute schon Früchte trägt.