JOHANNES 16,16-23a;    PREDIGT:

 

" Jesus sprach zu seinen Jüngern: Noch eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen; und abermals eine kleine Weile, dann werdet ihr mich sehen. ... Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: ihr werdet weinen und klagen, aber die Welt wird sich freuen; ihr werdet traurig sein, doch eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden. Eine Frau, wenn sie gebiert, so hat sie Schmerzen, denn ihre Stunde ist gekommen. Wenn sie aber das Kind geboren hat, denkt sie nicht mehr an die Angst um der Freude willen, dass ein Mensch zur Welt gekommen ist. Und auch ihr habt nun Traurigkeit; aber ich will euch wieder sehen, und euer Herz soll sich freue, und eure Freude soll niemand von euch nehmen. An dem Tag werdet ihr mich nichts fragen. "

 

Trauer und Freude sind die Sprache des Herzens. Währenddessen Stumpfheit und Gleichgültigkeit davon Gegner sind. Jeder Jünger Jesu tritt als Hinterbliebener Gottes das gewaltige Erbe Jesu an. Es zerbricht zwar unser Eigenleben, das sich verselbständigt hat; es fällt wie ein Kartenhaus zusammen. Aber unsere göttliche Bestimmung wird wiedergeboren und kristallisiert sich immer mehr heraus. Wir erleben ein Ostern ohne Ende, darin unser Glaube wächst und wir täglich das Heil Gottes erleben. Die Traurigkeit, die auch wir in der ganzen Tiefe und Grausamkeit erleben, verliert sich dennoch mit der Zeit. Und Jesus schenkt uns eine Freude, die über alle schwankenden Freuden dieser Welt hinausweist und über ihnen steht. Es ist eine Freude, die das Weinen aushält.

Durch Jesu Weggang aus dieser Welt wird etwas total Neues geboren. Gerade er musste durch Karfreitag hindurch; aber dadurch geschah Ostern, Himmelfahrt und Pfingsten. Jeder Christ ist auf seine eigene von Gott geschenkte Art und Weise zu diesem Geschehen durchgestoßen: Neugeburt, Wiedergeburt durch den Heiligen Geist. Nun tun sich ihm gewaltige und überwältigende Lebensweisen auf, darunter sein Leben still, getrost und faszinierend froh wird.

Als einziges Handikap, Nachteil, bleib, dass sich dies alles noch im Verborgenen abspielt. Aber es geschieht! Verborgenenmaßen führt uns Jesus zielsicher seine Wege des ewigen Lebens. Die kleinen Quereleien des Alltags, die täglich oft schweren Aufgaben und die manchmal auftretenden Querschläge dürfen wir bestehen und überwinden. Auch alle Anläufe des Satans, die vielerlei Anfechtungen und Versuchungen, ja bis hin zu den Verfolgungen schwerster Art, die auch heute viele Christen auf dieser Erde erlebe, können uns von unserem Weg der Nachfolge nicht mehr aufhalten. Gerade in finsterster Nacht öffnet uns Jesus unsere Augen und Ohren für seine Wege. Gerade auf den vor uns liegenden Durststrecken erleben wir die Lebensspeise Gottes. In keiner Phase unseres Lebens sind wir alleine gelassen. Nie müssen wir verzweifeln, vor Angst vergehen oder uns in der Irre verrennen. Das Durchgehen der verschiedensten Perioden unseres Lebens ist normal. Das Auf und Ab des Lebens gehört zum Alltag dazu.

Wir gleichen nicht einem Ertrinkenden, der ab und zu nach Luft schnappt. Sondern wir gleichen einem guten Schwimmer, der ab und zu einmal untertaucht.

Damals war der Glaube der Jünger in einem entscheidenden Wandel begriffen. Noch beruhte ihr Glaube auf dem Sehen, auf eine gewisse Art von Begeisterung. Nun aber galt für sie, sich in dem Glauben einzuüben, bei dem man nicht sieht. „Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.“ „Der Glaube ist ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ Dieser Wandel war für sie schwer. Er tat ihnen weh. Jesus gibt ihnen vor seinem Weggang drei Hilfen: 1) Eine ganz bestimmte Art von Traurigkeit ist keine Schande. 2) Christus will uns wieder sehen. 3) Explodierende Freude.

 

1) Die erste Hilfe Jesu ist die Erkenntnis, dass für einen Christen eine ganz bestimmte Art von Traurigkeit keine Schande ist. „Die Traurigkeit der Christen!“ Dieser Predigttext ist ja die Leidensankündigung nach der ganz speziellen Art des Johannes. Dabei bringt sich Jesus selbst gar nicht ins Spiel, ins Gerede. Was er zu durchgehen hat, das weiß er sowieso, das will er nicht anderen aufbürden. Und seine Jünger können ihm sowieso nicht helfen und beistehen. Aber Jesus weiß nur zu genau, dass sein Leiden auch gewaltig das Leben seiner Jünger treffen wird. Und da will er sie vorbereiten und stellt vorher die Weichen schon richtig, auch wenn der Lebenszug der Jünger erst später über diese Weichen rollt.

Auch uns gibt Gott viele Fragen auf. Zusätzlich gilt, dass Gott selbst in unserem Leben vieles in Frage stellt. Und das ist auch gut so. Wir sollten heilsame Besinnungsphasen haben und kennen. Gott schenkt uns die rechte Bereitung und Vorbereitung fürs Leben und fürs Sterben. Er lässt uns nicht unvorbereitet in die Zukunft hineingleiten. Er gibt uns seine Wegweisung.

„Ihr werdet weinen und klagen; ihr werdet traurig sein.“ Oft einmal kommt uns unser Leben wie eine Beengung vor, dunkel, ohne Aussicht, wie ein Gefängnis. Da rufen wir dann Gott in Ängsten an. Johannes gebraucht hier das Bild der Geburt eines Kindes, bei der eine Mutter viele Schmerzen auszuhalten hat. Gerade die geistliche Bewältigung unserer Fragen kommt einer Neugeburt gleich. Da muss immer zuerst einmal unter Schmerzen etwas Neues aufbrechen. Das geistlich recht verstandene Sterben ist für uns Christen eine selbstverständliche Angelegenheit. Durch die Taufe sterben wir täglich mit Christus. Täglich muss in uns der Alte Adam ersäuft werden. Es gilt, wie ein Samenkorn täglich in unser Umfeld hinein zu sterben. "Niemand hat größere Liebe denn die, dass er sein Leben lässt für seine Freunde." Wundern wir uns nicht, dass wir als Christen öfters einmal schwanger sind, - geistlich verstanden - , und uns die Wehen überfallen. Da gibt es Schmerzen über Schmerzen. Damit verbunden ist oft ein längerer Prozess des Umdenkens und des Umlernens.

Natürlich erleben auch wir Phasen, in denen wir oft wie vor verschlossenen Türen stehen; alles scheint verrammelt und vernagelt zu sein. Nichts geht weiter. Was wir auch unternehmen, uns gelingt nichts. Vieles wird uns aus der Hand geschlagen. Unser ganzes Konzept des Lebens und des Glaubens bricht zusammen. Alles ist dann zum Heulen; tiefste Traurigkeit überfällt uns.

Man sagt ja: Aller Anfang ist schwer. Und Christus gibt uns öfters Neuanfänge, die uns natürlich auch schwer fallen. Es ist immer wieder verbunden mit Suchen, Anklopfen, Bitten, Bangen, Hoffen und Durchhaltevermögen. Das Erleiden ganz bestimmter Lebenslagen ist gerade die Stärke der Christen. Es gibt viele Begebenheiten, die es zu bestehen gilt und deren wir nicht entfliehen können. Es gibt Umklammerungen unseres Lebens, die wir nicht abschütteln können.  Dazu kommt, dass sich in solchen Augenblicken die Welt über uns freut, sich die Hände reibt, dass sie mit uns macht, was sie will. Und für uns scheint, dass die Welt über uns einstürzt. Ratlosigkeit überfällt uns. Wir werden verunsichert. Wir werden zum Gespött der Menschen. Unser Leben fällt auf den Nullpunkt zurück.

„Eine kleine Weile, dann werdet ihr mich nicht mehr sehen.“ Da verstehen wir Gott nicht mehr. Halten wir in solchen Zeiten in Geduld aus. Aus eigener Kraft kommen wir da nicht heraus. Und ungeduldiges Ausschlagen wäre das Dümmste, das wir tun könnten. Bleiben wir in dem Joch, in das uns Christus gespannt hat. Wie oft gilt auch für uns, dass der Gesunde und Gerechte leiden darf, damit der Kranke und Ungerechte gesund und heil werden kann. Alles Leiden hat einmal ein Ende und währet nicht ewig.

Oft einmal ist so etwas auch nötig, dass wir aus unseren Träumen aufwachen, damit unsere persönliche unheile Welt gnädigst wie eine Seifenblase zerplatzt. Es ist eine heilsame Erkenntnis, und dazu braucht es einen längeren Prozess, dass im Menschen nichts Gutes wohnt; dass wir auch die gut gemeinten Ratschläge durchschauen; dass wir lernen, die Geister unterscheiden zu können; dass wir mit klarem Kopf die Gehorsamsschritte gehen können und im Leben verantwortlich stehen.

Leid gilt es auszuhalten, aber auch zu bewältigen. Es sind sehr aktive Aufgaben. Aber wir können nicht uns selbst aus dem Sumpf des Lebens herausziehen, sondern wir warten auf das Eingreifen Gottes. Da besprechen wir uns nicht mehr mit Fleisch und Blut, sondern allein mit Christus im Gebet.

Auch wenn hier manches in unserem Leben zerbricht, so geschieht dadurch doch der Aufbruch unseres Lebens, eine heilsame Läuterung, die Heilung unserer geistlichen Blindheit. Wir können im Verlieren nur Christus gewinnen. Etwas Neues wird geboren.

Letztlich gehört die Traurigkeit zum Christenleben dazu. Es wäre fatal, total falsch, zu meinen, unser Leben ginge so weiter, wie es sich gerade darstellt. Diese Ansicht muss uns Christen oft einmal zerbrechen, bevor es zu spät ist und wir letztendlich verstört würden. Also ist es heilsam, wenn wir in solche Situationen geführt werden.

Solche Art der Traurigkeit ist für uns Christen keine Schande.

 

2) Diese zweite Hilfe ist wohl die wichtigste: Christus will uns wieder sehen; Vers 22. Gerade das ist unsere Rettung. Jesus sehnt sich nach uns. Er gibt uns seine Wegweisung, sein Geleit und seine Führung. Aus der Beengung wird auf einmal Bewahrung und Geborgenheit.

Es gibt das Frühlingslied: "Winter ade, scheiden tut weh, aber dein Scheiden mach, dass mir das Herze lacht; Winter ade! " Das könnte man hier umdichten: "Jünger ade, scheiden tut weh, aber dies Scheiden macht, dass mir das Herze lacht; Jünger ade!" Wenn in unserem Leben etwas schmerzhaft geschieden wird, dann wird nur etwas getilgt und ausgeräumt, was zwischen uns und Gott störend gestanden hat.

Christus ist für uns Christen keine Utopie, kein Hirngespinst und keine Fatahmorgana, Selbsttäuschung. Sondern er selbst kommt zu uns. Er lebt mitten unter uns. Ja, er schlägt in uns seine Wohnung, sein Büro auf. Er ist in unserem Leben und Wirken die täglich erlebbare Realität. Er kann sehr wohl in einem Augenblick alles ändern und erneuern, prägen und gestalten. Dazu hat er alle Macht.

Jesus sehnt sich nach uns; gerade dann, wenn wir abgemüht, ausgemergelt und lebenshungrig sind. Gerade dann, wenn wir merken, dass wir selbst es nicht schaffen, wenn es im Leben knüppeldick kommt, wenn uns die besten Einfälle, das beste Können und die besten Freunde verlassen, sehnt sich Jesus nach uns. Gerade dann, wenn wir in unserem Leben viele unbekannte Größen erleben und unsere Idealvorstellungen zusammenbrechen, sehnt sich Jesus nach uns.

Von woher erwarten wir den echten Durchbruch; woher erhoffen wir Hilfe? Jesus sehnt sich nach uns! Er hat den sehnlichsten Wunsch, sich uns zu offenbaren und uns zu helfen. Er mag uns. Er will uns das Beste zuteil werden lassen. Dazu hat er alle Macht im Himmel und auf Erden.

"Wiedersehen", das hat etwas zu tun mit Gotteserkenntnis, mit Gotteserfahrung. Seit Pfingsten ist Jesus mitten unter uns, bis an der Welt Ende. Der Heilige Geist öffnet uns die Worte Jesu und macht sie uns lebendig. Dadurch läuft in unserem Herzen Gewaltiges ab. Da kann in einem Augenblick eine Totalwende geschehen.

Da wissen wir, dass wir nicht mehr alleine gelassen sind. Da erleben wir eine innere Lebendigkeit, von der unser Leben übersprühen darf. Da erfahren wir die Fülle Gottes, die uns neue Erkenntnisse, Anstöße, Kräfte und Aufträge gibt.

Wenn auch auf eine neue Weise, aber Christus gehört uns, bzw. wir gehören ihm. Und damit wendet sich das Blatt unseres Lebens. Christus lässt sich nicht ausschalten. Seine Macht und Kraft kommt jetzt erst recht richtig zur Wirkung und zur Geltung. Und er nimmt sich viel Zeit, um auf unsere Fragen und Anliegen einzugehen. Und er zeigt uns seinen Weg und gibt uns seine Lösungen.

Christus will uns wieder sehen! D. h. unsere Lebenskunst besteht darin, Christus in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen. Das liegt nämlich an uns, denn er will uns ja wieder sehen. Für uns Christen ist es lebensnotwendig, in der Nähe Jesu zu leben; alles andere zu verlassen und nur Jesus nachzufolgen. Wir haben das einzigartige Vorrecht, vollen Kontakt zum lebendigen Gott pflegen zu dürfen. Im Glauben dürfen wir alle Gelegenheiten Gottes ergreifen. Es hilft nicht unsere Flucht von Gott weg, sondern nur unsere Flucht zu Gott hin.

Der menschensuchende Gott und der gottsuchende Mensch treffen sich immer. Sie können sich nicht in Jesus Christus verfehlen. Das Geheimnis muss zwar bleiben, aber es darf zu unserem Geheimnis werden. Wenn wir in der Spur Gottes bleiben, dann führt er uns in einen weiten Raum, darin keine Bedrängnis mehr ist. Psalm 46: Der Herr ist unsere Zuversicht und Stärke. .., darum fürchten wir uns nicht, wenngleich die Welt unterginge und die Berge ins Meer sänken.

Christus will uns wieder sehen!

 

3) Die dritte Hilfe Jesu: Wir erleben eine explodierende Freude. Es ist die Wiedersehens- Freude. "Eure Traurigkeit soll in Freude verwandelt werden. ... Euer Herz soll sich freuen und eure Freude soll niemand von euch nehmen!" Solche Freude kann man nicht befehlen, aber man kann sie wahrhaftig erleben, jeder einzeln. Jesus selbst ist der Vermittler und Multiplikator wahrer Freude. Wenn er in unser Herz eingeht, dann kehrt diese Freude ein. Weil Jesus auferstanden ist, muss aus Trauer Freude werden. Totes, Dumpfheit und Unfreiheit fallen von uns ab. Die Trauer ist wie ein reinigendes Gewitter zur Freude. Die zu Ostern geschenkte Freude ist unverlierbar und unzerstörbar. Alle Osterlieder handeln davon.

Menschliche Freuden lassen einen umso größeren Katzenjammer zurück; die göttliche Freude bleibt. Die Freuden der Selbstsucht machen uns nur dumm und vernebeln unsere Sinne. Die Freuden der Nachfolge öffnen uns den Blick für die Ewigkeiten Gottes. Die Freuden dieser Welt sind nur Betäubung und Rausch, sie geben keine Antwort auf die schmerzlichen Fragen, sondern verdrängen diese nur. Aber die Freuden Gottes sind auch im größten Leid vorhanden und somit können wir jedes Leid durchgehen und durchstehen.

Es ist eine Freude, die z.B. auch eine Mutter nach der Geburt ihres Kindes hat. Schwer Erworbenes liebt man besonders. Es lohnen sich die Wehen, mit denen wir Göttliches anvertraut bekommen. Das lässt allen Schmerz vergessen und positiv überwinden. Trotz der noch vorhandenen Wunden ist etwas total anders geworden.

Auch eine Mutter liegt nicht immerzu in Wehen, sondern es sind nur kurze Augenblicke. So fallen dieser Zeit Leiden nicht ins Gericht gegenüber der Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll.  Solche Freude sprengt wahrhaftig unseren sonst oft so grauen Alltag. Vers 23: "Da werdet ihr mich nichts fragen!" Da wird in unserem Leben alles still, getrost und froh. Da geht uns wieder neu der Himmel auf, weil wir die Segensströme Gottes erleben.

 

Paulus sagt 2. Korinther 6,10: Als Diener Gottes sind wir die Traurigen, aber doch allezeit fröhlich. Trauer und Freude sind die Sprache des Herzens. Weil wir das Erbe Jesu antreten, wird in uns Göttliches geboren und wir erleben ein Ostern ohne Ende. Jesus schenkt uns eine Freude, die auch das Weinen aushält und verkraften lässt. Weil uns Christus wieder sehen will und wird, erleben wir eine explodierende Freude. Wir und die gesamte Gemeinde singt darüber einen Lobgesang nach dem anderen.