MARKUS  14,3-9;    PREDIGT:

 

Die Salbung in Betanien

„ Als Jesus in Betanien war im Hause Simons des Aussätzigen und saß zu Tisch, da kam eine Frau, die hatte ein Glas mit unverfälschtem und kostbarem Nardenöl, und sie zerbrach das Glas und goss es auf sein Haupt. Da wurden einige unwillig und sprachen unter-einander: Was soll diese Vergeudung des Salböls? Man hätte dieses Öl für mehr als dreihundert Silbergroschen verkaufen können und das Geld den Armen geben. Und sie fuhren sie an. Jesus aber sprach: Lasst sie in Frieden! Was betrübt ihr sie? Sie hat ein gutes Werk an mir getan. Denn ihr habt allezeit Arme bei euch, und wenn ihr wollt, könnt ihr ihnen Gutes tun; mich aber habt ihr nicht allezeit. Sie hat getan, was sie konnte; sie hat meinen Leib im Voraus gesalbt für mein Begräbnis. Wahrlich, ich sage euch: Wo das Evangelium gepredigt wird in aller Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie jetzt getan hat. “

 

Bei diesem Predigttext treten viele Fragen auf, die wir nicht eindeutig beantworten können. Aber für Jesus war es in dieser Situation angemessen. Es fand am Mittwoch, zwei Tage vor seinem Tod, statt. Während seiner vorherigen Wanderschaft gab es eine ähnliche Situation, in der Jesus ganz anders reagierte. Der sog. Reiche Jüngling wollte auch etwas ganz Besonderes für Jesus tun. Aber da sagte Jesus, wie hier die Jünger: Verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen, und folge mir nach. Wir kennen den Ausgang. Der Reiche Jüngling brachte das nicht fertig, denn er war sehr reich. Diese unbekannte Frau in unserem Text war auch sehr reich, denn der Preis dieses Öles entsprach einem damals durchschnittlichen Jahresgehalt.

Die Handlungen Jesu waren im Volk Israel das Gesprächsthema Nr. 1. Hätte es damals unsere heutige Mediengesellschaft gegeben, gäbe es Schlagzeilen wie: Skandal einer Liebestat! Oder: Ein Jahresgehalt für einen einzigen Augenblick verschwendet! Oder: Unsinnige Tat einer Frau! Oder: Verrückte Tat einer reichen Frau! All die Klugen und Weisen der Medien würden hier in ihren vernichtenden Urteilen schwelgen.

Hier bricht ja auch ein uralter Konflikt auf. Soll die Kirche neben den sozialen und diakonischen Aufgaben auch noch solche Aufgaben verfolgen, auf die man eigentlich verzichten könnte? Z.B. eine teure Ausstattung eines Altarraumes, einer Kirchenausstattung oder für teure künstlerische Ausstattungen. Die alten prächtigen und großen Dome wurden früher mit viel Aufwand gebaut, obwohl die Bevölkerung sehr arm war. Auch wir als Christusbruderschaft werden manchmal gefragt: „Wäre es nicht situationsgerechter, wenn ihr in alten Hütten leben würdet als in einem so tollen Haus?“

In unserem Bericht tat diese Frau etwas, worüber sich die Jünger sehr entsetzten. Es war damals ungehörig, dass eine Frau zu Jesus tritt und dann noch ein ganzes Glas wohlriechenden Salböls auf Jesu Haupt ausgoss. Ebenso stutzten die Jünger über das Urteil Jesu, das sie momentan nicht verstehen und annehmen konnten. Aber sie haben es später weiter erzählt, sonst wüssten wir nichts davon.

Auch unter uns treten manchmal Konflikte auf. Manche davon werden sogar schriftlich ausgetragen. Hoffentlich erkennen wir das Urteil Jesu an, der ins Herz sieht und das gelten lässt, was aus Liebe zu ihm und den Menschen getan wird.

Wir wollen uns heute einmal fragen: 1) Was spricht gegen solch eine Tat? 2) Was spricht dafür? 3) Was ist das Resultat?

 

1) Was spricht gegen solch eine Tat? Es ist vor allem unsere Vernunft, auch die christliche Vernunft, die gegen solche Verschwendung aufbegehrt. Die Millionäre und auch Milliardäre unserer Erde verschwenden ihren Reichtum für sich selbst und ihre Interessen. Es wäre ein Frevel, wenn wir dies als Recht hinstellen würden. Natürlich gibt es auch Ausnahmen. Beim Bankencrash hatten sich die Verursacher noch in unverschämter Art und Weise bereichert. Das verurteilen wir und können wir so nicht gelten lassen.

Ja Jesus selbst vermied alles, was nach Reichtum, großen äußeren Reichtum, Macht und Brutalität hätte aussehen können. Er trat ganz bewusst als Wanderprediger auf. Er half nur denen, die sonst keine Hilfe mehr bekamen und abgeschrieben waren. Er heilte die Menschen, die hoffnungslos krank waren. So war indirekt Jesu Auftreten ein Protest gegen den Reichtum, gegen den falschen Einsatz von Geld, Macht und jeglichen Einfluss äußerer Art.

Natürlich gibt es auch eine falsch gelebte Armut. Auch hier begehrt unsere Vernunft dagegen auf. War es z.B. richtig, dass die Urgemeinde allen Reichtum verkaufte, um für die Armen Geld zu haben? Sie waren dann später selbst so verarmt, sodass Paulus umfassende Geldsammlungen organisieren musste, damit Jerusalem einigermaßen über die Runden kam.

Ist es richtig, wenn ein freischaffender Christ all sein Geld spendet und sich deshalb nicht gegen Krankheit und fürs Alter versichert? Wenn er dann krank und alt ist, müssen andere finanziell für ihn einspringen.

Hier in unserem Text waren die Jünger gegen die Verschwendung von 300 Silbergroschen. Bei den Jüngern verwaltete Judas das Geld der Jünger. Er hatte kurz danach Jesus für 30 Silberlinge verraten. Das entsprach 120 Silbergroschen, also fast die Hälfte von dem, was hier diese Frau ausgab. Aber er tat damit genau das Gegenteil von dem, was diese Frau an Jesus tat.

 

2) Was spricht nun für solch eine Tat? Ich denke, wir wissen alle, dass es nicht immer richtig ist, wenn wir nur unsere Vernunft sprechen und gelten lassen. Jesus stand damals zu diesem Zeitpunkt in höchster Anspannung. Er wusste, was in den nächsten Stunden auf ihn zukommt. Von allen Seiten wurde er gefordert und bedrängt. Sogar die Jünger verstanden ihn mit seinem Hauptanliegen nicht. Bis zum Schluss erwarteten sie einen politischen Befreiungsschlag von Jesus. Aber dass es mit ihm ans Kreuz geht, das kapierten sie nicht. So war die Tat dieser Frau für ihn die einzige äußere Wohltat, die er erlebte.

Aber ich denke, das war nicht der einzige Grund, warum diese Salbung geschah. Wahrscheinlich kannte die Frau diesen Grund auch nicht. Drei Jahre vorher wurde Jesus zwar von Johannes d.T. getauft. Das war die einzige Handlung, die ein Mensch an Jesus tat; die einzige Handlung, bei der ein Mensch seine Hände auf Jesu Haupt legte und ihn segnete. Aber bei Johannes d.T. wurde dabei die ganze Sündenlast dieser Erde auf Jesus aufgeladen, mehr nicht. So wurde Jesus nie zum messianischen König gesalbt. Im Alten und Neuen Testament und der ganzen Kirchengeschichte gehört solch eine Segnung einfach dazu. Natürlich hätte Gott auch einem Jünger diesen Auftrag geben können. Aber ihm gefiel es, dass dies eine Frau tun sollte. Wenn Jesus sagt: Sie hat meinen Leib im voraus für mein Begräbnis gesalbt, dann war dies ja der allerletzt mögliche Zeitpunkt für solch eine Salbung.

Wenn Menschen ihren Reichtum für sich selbst verschwenden, dann ist das natürlich zu verurteilen. Wenn dies aber zur Ehre Gottes geschieht, dann lässt dies Gott gelten, ist es also richtig und nicht falsch. So hatte der Bau wertvoller Dome ihren Sinn. So haben wertvoll Kirchenausstattungen ihre Berechtigung. Nur von diesem Gesichtspunkt aus gesehen ist es auch ein christlicher Weg, wenn Menschen bei einer von Gott gegebenen Berufung auf Ehe, Besitz und Gehalt verzichten, um Jesus nachzufolgen. Wenn wir heuer als Christusbruderschaft wieder Geld für Wärmedämmungen ausgeben, dann nur deshalb, weil dadurch die jährlichen Energiekosten gedrückt werden und somit unsere Arbeit, unser Einsatz besser weiter gehen kann.

Allein unsere Liebe zu Jesus Christus gibt uns das rechte Urteil für unsere momentanen Einsätze und Vorhaben.

 

3) Was können wir als Resultat von dieser Salbung lernen? Wie schon gesagt, ist der Grund zu solchen Taten allein unsere Liebe zu Gott und Jesus Christus. Hier begegnen wir in angemessener Art und Weise der Liebe Gottes, die er zu uns aufbringt. Als praktizierende Christen haben wir eine ganz lebendige Beziehung zu Jesus Christus. Dadurch spüren wir, dass er uns sehr vieles anver-traut hat und er uns auch immerwährend sehr vieles schenkt, bewirkt, lenkt und segnet. Darin ist eine solche Fülle enthalten, sodass wir davon reichlichst weitergeben können und auch wollen. Wenn schon Gott nicht karg und geizig, sondern großzügig und großherzig ist, so sind auch wir genauso eingestellt. Wo es uns Gott zeigt und dazu die Wege auftut, da geben wir das uns Anver-traute weiter und setzen es ganz reichlichst ein. So steht es auch Lukas 6,38: Gebt, so wird euch gegeben. Ein volles, gedrücktes, gerütteltes und überfließendes Maß wird man in euren Schoß geben. Denn eben mit dem Maß, mit dem ihr messt, wird man euch wieder messen. So haben wir zum Weitergeben immer volle Hände.

Natürlich sind die Reichtümer, die wir Christen haben, von anderer Art und Weise, als es die Reichen dieser Welt haben. Es sind vor allem die Früchte des Geistes, wie sie z.B. in Galater 6 genannt sind: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Keuschheit. Alles, was uns anvertraut ist, setzen wir – wie es Löhe einmal sagte – aus Dank und Liebe ein. Oder Augustinus hatte gesagt: Liebe, und dann tue, was du willst, was du für richtig hältst. Z.B. beim Religionsunterricht in der Schule könnte man schon einmal verzagen. Aber wenn wir uns diese Liebe zu den Schülern von Gott schenken lassen, dann geht es dennoch weiter. Und das gilt für alle unsere Lebenseinsätze.

Die Liebe Gottes zu uns haben wir uns nicht verdient. Verdient hätten wir eher den Zorn Gottes. Aber Gott bringt diese Liebe auf. So kann es ebenso sein, dass unser Nächster unsere Liebe nicht verdient. Aber wir stecken als Christen den Zorn zurück und versuchen in dieser Liebe zu bleiben. Dieser Versuch ist es immer wieder wert. Denn dann gelingt uns das Leben. Dann macht uns die Arbeit nicht krank und ungesund. Dann gibt es keinen Stress, auch dann nicht, wenn viel von uns gefordert wird. Gott teilt uns dann die Zeit ein und den Ort zu. Gott zeigt uns dann, was wichtig und was unwichtig ist. Er öffnet uns die Wege, die er will. Und er verschließt uns die Wege, die er nicht will.

Jesus wurde hier auf seinem letzten Leidensweg erquickt. In Gethsemane erfuhr er es noch einmal auf eine ganz andere Art und Weise. Ähnliches erleben auch wir. Es ist schon eigenartig, aber wahr, weshalb auch ein Mensch von sich aus nie auf eine solche Lebensweise stößt, dass wir gerade im Verzicht die Erfüllung finden. Gerade im geistlich recht verstandenen Sterben erleben wir das wahre Leben. So drückt das auch das Gleichnis vom Weizenkorn aus. Gerade in der Hingabe erleben wir den Reichtum Gottes. Es ist gerade die Umkehrung dessen, was normalerweise ein Mensch erstrebt und will. Gerade damit kommen wir im Leben wesentlich weiter.

Das ist mit der Jesus Nachfolge erlebbar. Wir wagen diese einzelnen dazu nötigen Schritte und erleben dabei den großen Reichtum des Segens Gottes. Darüber lernen wir das Staunen über Gottes Größe.

Die Strategie der Liebe Gottes ist nicht mit menschlichen Maßstäben zu messen. Denn damit verstehen wir sie nicht und würden wir immer falsch handeln, messen, beurteilen und leben. Aber es gibt zum Glück auch geistliche Maßstäbe, die uns Gott zur Hand gibt. Damit verstehen wir die Liebe Gottes und können in rechter Weise handeln, messen, beurteilen und leben. Dann lässt sich Gott nie lumpen und überhäuft auch uns reichlichst mit seinen Liebestaten. Zusätzlich umgibt er uns mit seinem Schutz und Geleit.

 

Was bei dieser Salbung geschah ist für uns kein Skandal und wir schwelgen nicht in vernichtenden Urteilen. Für uns gibt es nicht den uralten Konflikt zwischen den sozialen / diakonischen Aufgaben und einem verschwenderischen Einsatz dieser irdischen Güter. Gott zeigt uns, was momentan dran und wichtig ist. Er gibt uns das rechte Maß, sodass nichts umsonst getan wird. Aus Liebe zu ihm stellen wir ihm unser ganzes Leben zur Verfügung. Und aus Liebe zu ihm stellen wir uns den täglichen Anforderungen, zu denen er uns das Gelingen gibt. Einer hat gesagt: Gott sei Dank! Wem denn sonst?! In diesem Sinne: Gott sei Dank!